Weil er die Wolfenbütteler Straße blockiert hat, stand ein 32-jähriger Aktivist der „Letzten Generation“ in Braunschweig vor Gericht.
Der Vorwurf: Nötigung im sogenannten „Sitzblockaden-Fall“. Bereits Anfang November verurteilte das Braunschweiger Gericht den ebenfalls an der Aktion beteiligten Pascal R. deshalb zu einer Geldstrafe. Umso überraschender ist die aktuelle Entscheidung.
Braunschweig: Entscheidung überrascht selbst den Angeklagten
Der 32-jährige Aktivist, der 28-jährige Pascal R. und vier weitere Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ legten am 30. Mai 2022 den Verkehr auf der Wolfenbütteler Straße komplett lahm (wir berichteten). Wegen Nötigung erhob die Staatsanwaltschaft deshalb Anklage.
Der Richterhammer im Fall Pascal R. fiel bereits Anfang November. Das Gericht befand den 28-Jährigen für schuldig. 1.050 Euro Strafe muss er jetzt blechen (wir berichteten). Viele dürfte deshalb die aktuelle Entscheidung überraschen.
Die Staatsanwaltschaft beantragte am Dienstag (28. November) zu Prozess-Beginn die Einstellung des Verfahrens, das Gericht stimmte zu, wie das Amtsgericht auf News38-Nachfrage bestätigte. Nach 20 Minuten konnte der 32-jährige Aktivist das Gericht wieder verlassen – straffrei. Überraschend auch für den Angeklagten, wie die „Letzte Generation“ sagt.
„Letzte Generation“ übt scharfe Kritik
Doch gleichzeitig können sie eine Sache nicht verstehen: „Die gleiche Tat, der gleich Vorwurf, der gleiche Staatsanwalt, zwei völlig unterschiedliche Urteile.“ Ausschlagegebend für die Einstellung sei für die Aktivisten, dass der 32-jährige Angeklagte erklärt habe, an keinerlei Sitzblockaden teilzunehmen.
„Er baue jetzt im Ausbildungsbetrieb Photovoltaikanlagen“, sagt die „Letzte Generation“. Pascal R. hingegen kündigte während des Verfahrens an, weiterhin an Sitzblockaden teilzunehmen – der Grund für seine Verurteilung. Die Kritik am Justizapparat: „Sei brav, störe nicht. Dann wirst Du mit Milde behandelt.“
Wie kam es zu den unterschiedlichen Ausgängen?
News38 hat beim Amtsgericht nachgefragt: Wie kam es zu den unterschiedlichen Entscheidungen? Welche Rolle spielen Reue und Einsicht? Dort sagte man uns: Zum einen sei entscheidend gewesen, dass der Angeklagte nur einmal „in Form einer Aktion der Letzten Generation in Erscheinung getreten“ sei. Zudem habe er sich auch nicht auf der Straße festgeklebt. „Der Angeklagte war derjenige, der in der Mitte saß, um bei Bedarf eine Rettungsgasse öffnen zu können.“
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Er versicherte zum anderen, sich in Zukunft zwar für die Umwelt einzusetzen, von Straftaten aber abzusehen. Die Tat gab er außerdem zu, mittlerweile mache der 32-Jährige auch eine Ausbildung zum Elektriker. Dort arbeite er an Photovoltaikanlagen. Für die Staatsanwaltschaft und das Gericht ausreichend, um das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Bei Pascal R. waren die Umstände hingegen anders, wie das Amtsgericht sagt. Zwar ging es dabei um die gleiche Tat. Doch der 28-Jährige zeigte weder Reue noch Einsicht. „Er war bereits zuvor mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und signalisierte in der Verhandlung nach Eindruck des Gerichts und der Staatsanwaltschaft nicht, bei seinen zukünftigem Handeln von strafbaren Handlungen absehen zu wollen“, heißt es. Was viele vielleicht nicht wissen: „Reue und Einsicht in das eigene Handeln spielen bei der Strafzumessung eine Rolle.“