Karstadt in Braunschweig will Anfang 2024 schließen. Die Nachricht über das Aus des Vollversorgers in der Innenstadt hat nicht nur die Bürger erschüttert. Bürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) hat sich eingeschaltet und fordert, dass sich Gebäudeeigentümerin Volksbank BraWo und Galeria Karstadt Kaufhof an einen Tisch setzen.
Der Schock sitzt gerade bei den Mitarbeitern noch tief in den Knochen. Existenzängste sorgen für schlaflose Nächte, bei einigen ist die Nachricht noch gar nicht richtig verdaut (wir berichteten). Die Belegschaft will um ihre Arbeitsplätze kämpfen und traf sich am Samstag (18. März) zusammen mit Verdi am Haupteingang der Karstadt-Filiale in Braunschweig zu einer Kundgebung. Vor Ort berichten die Mitarbeiter von unhaltbaren Zuständen im Unternehmen.
Braunschweiger Karstadt-Mitarbeiter verzichteten auf Lohn
„Wir haben auf Gehalt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet und alles für das Unternehmen getan. Eigentlich haben wir auf alles verzichtet, auch auf unseren Tarif. Wir sind einfach nur traurig, geschockt und wütend“, erzählt Kassiererin Gabi Hanne im Gespräch mit News38.
+++ Karstadt in Braunschweig macht dicht! Eine Ära geht zu Ende – „Drastischer Einschnitt“ +++
Seit 45 Jahren arbeitet sie in der Karstadt-Filiale in der Schuhstraße. Sie fühlt sich im Stich gelassen. Lange wiegte sich die Belegschaft in Sicherheit. Dass der Braunschweiger Standort dichtmachen könnte, traf fast alle wie ein Schlag. Viel zu spät habe die Chef-Etage Mitarbeiter informiert, wie Marc Jäger von Verdi erzählt.
Karstadt-Mitarbeiter erfahren am Telefon von Braunschweig-Aus
„Es gab Montag zwei Telefonkonferenzen. Eine mit den fortführenden Filialen und eine mit denen, die geschlossen werden.“ Erst als die Mitarbeiter im Raum saßen und das Wort „Schließung“ hörten, hätten sie gewusst, dass auch die Braunschweiger Filiale betroffen ist.
Das berichtet auch Betriebsratsvorsitzender Stefan Nagelschmidt. „Wir waren alle am Montag geschockt. Wir haben da vor diesem Telefon gesessen und uns gefragt ‚Was war dieses Wort? Schließungsfiliale? Moment, ich glaube, wir sind in der falschen Telco.’“ Außerdem gesteht Nagelschmidt: „Wir schreiben schwarze Zahlen, wir hätten das auch nie gedacht.“
Karstadt-Belegschaft arbeitet weiterhin in Braunschweig
Trotz Existenzangst wird in der Filiale weitergearbeitet. Das Team sei wie eine Familie, die Stimmung unter den Kollegen sei okay. „Die Kollegen können am wenigsten etwas für die Situation“, so Hanne. Heike Jacobs, die seit 42 Jahren im Unternehmen ist, bestätigt, dass die Mitarbeiter noch immer bei Karstadt in der Schuhstraße arbeiten. „Das ist purer Psychoterror“, kommentiert Marc Jäger die Situation. In Goslar solle die Filiale verkleinert werden, im Laufe der Zeit würde das an allen Standorten passieren. „Allein zu wissen, dass es jetzt immer so weiter geht und weiter abgebaut wird, das ist Psychoterror für die Leute.“
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Beim Thema Abfindung kann Gabi Hanne nur den Kopf schütteln. Zwei Monatsgehälter habe Karstadt angeboten. Maximal 7.500 Euro sollen dabei aufs Konto wandern: „Das ist eine Katastrophe“, kommentiert Marc Jäger die Abfindungssumme. Ganz davon abgesehen würde keiner aus der Belegschaft auf die 7.500 Euro kommen. „Niemand verdient so viel Geld, dass er damit nach Hause geht.“
In der Regel werden Abfindungen mit der Faustformel Bruttomonatsgehalt x 0,5 x Länge der Betriebszugehörigkeit (in Jahren) berechnet. „Hier reden wir jetzt von einem Kleckerbetrag“, so Jäger. Insgesamt hätten die Karstadt-Mitarbeiter auf 5.000 Euro ihres Gehalts verzichtet. „Die haben auf einen Kleinwagen verzichtet und sollen jetzt ein bisschen mehr bekommen. Am Ende würden sie sowieso nur 2.500 Euro bekommen, weil sie sonst nur das Geld bekommen würden, was ihnen eigentlich zusteht“, so Jäger weiter.
Karstadt-Betriebsräte fordern Rücktritt
Die Betriebsräte hätten vom aktuellen Geschäftsführung bereits den Rücktritt gefordert. „Hat er zur Kenntnis genommen“, schließt Marc Jäger das Gespräch ab. Für Stefan Nagelschmidt vom Betriebsrat steht fest: Volksbank BraWo und Galeria müssen sich einigen. Doch Letztere soll versuchen die dringend notwendigen Sanierungskosten des Gebäudes auf die Eigentümerin umzuwälzen. „Das geht natürlich nicht“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende. Der 50-Jährige wünscht sich von beiden Parteien, dass „wir uns in die Augen gucken und uns die Hände reichen.“