Der Masterplan, er steht! VW-Gesamtbetriebsrat und die IG Metall haben ein Eckpunktepapier vorgelegt, das zeigen soll, wie sie selbst den Konzern aus der Misere lenken würden. Ohne Entlassungen. Ohne Werksschließungen.
Damit sendet die Arbeitnehmervertretung eine deutliche Botschaft kurz vor der anstehenden Tarif-Verhandlungsrunde an VW.
VW: IG Metall und Betriebsrat stellen Masterplan vor
Geschäftiges Treiben im Wolfsburger Gewerkschaftshaus. Das Medien-Interesse war an diesem Mittwochmorgen (20. November) groß.
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Vorangegangen war ein monatelanger Streit um die Sparpläne bei VW. Immer wieder hatten Betriebsratschefin Daniela Cavallo und IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger den Konzern dazu aufgefordert, eine konkrete Gesamtkonzeption für die Zukunft der Standorte vorzulegen. Cavallo sagte im September: „Wir sehen sehr viele Stellschrauben, an denen wir drehen können, um die Kosten zu senken, ohne gleich ganze Standorte infrage zu stellen.“
„Fehler müssen teuer korrigiert werden“
Passiert ist bisher in dieser Hinsicht aber nichts. Also gehen die IG Metall und der Betriebsrat in die Offensive. Die Gewerkschaft wolle Teil der „einer echten, nachhaltigen Lösung“ sein, sagte Gröger bereits im September. Schließlich habe niemand mehr Interesse daran, dass das Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt ist, als die Beschäftigten selbst. Das erklärte Ziel: Die Standorte, die Auslastung und die Beschäftigung nachhaltig abzusichern. Und das am besten ohne Lohnkürzen und Entlassungen. Aber wie soll das klappen?
„Weil nachhaltige Lösungen hermüssen, gehen wir nun in die Offensive und legen ein Lösungskonzept vor“, sagte Cavallo bei der Vorstellung des Konzepts in Wolfsburg. „Es ist ein Gegenmodell zum Kahlschlag-Plan des Vorstandes, der Zukunft verhindert statt schafft.“
In der Pressekonferenz am Mittwoch nahm auch Gröger kein Blatt vor den Mund. Aus seiner Sicht sei die Krise hausgemacht, aber komme auch von außen: „Der Konzern hat Fehler in der Vergangenheit gemacht, aber auch die Rahmenbedingungen verschärfen die Situation“, sagte er. Als Beispiele nannte er den Wegfall der E-Auto-Prämie und die schlechte Lade-Infrastruktur. „Die Fehler müssen jetzt teuer korrigiert werden. Vor allem in den nächsten beiden Jahren sehen wir einen großen Handlungsbedarf“, sagte Gröger.
„Früher hat Volkswagen Probleme mit und nicht gegen die Beschäftigten gelöst. Dieses Miteinander hat VW zum Weltkonzern gemacht. Das hat der Konzern jetzt aufgekündigt, was die Situation unnötig verschärft und Vertrauen zerstört. Uns geht es um die vielen Tausend Beschäftigten, Familien und um ganze Regionen. Und nicht zuletzt geht es uns um viele Zulieferer und Dienstleister. Es geht um eine Blaupause im Industriestandort Deutschland. Um die Quelle des Wohlstandes.“
Thorsten Gröger, IG-Metall
VW: Cavallo mit deutlicher Forderung
Betriebsratschefin Daniela Cavallo forderte im Anschluss eine Perspektive für alle Standorte. Gleichzeitig müsse es Antworten auf die Überkapazitäten geben. „Wir verschließen nicht die Augen. Die Märkte haben sich verändert“, sagte sie. Dennoch hätten aus ihrer Sicht alle Stammbeschäftigten eine Zukunft. „Wenn die Belegschaft einen Beitrag leisten soll, muss das auch für alle Player im Konzern gelten“, betonte sie.
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In den letzten Tagen habe man intensive Gespräche mit dem Vorstand geführt. Das Unternehmen gehe aber weiterhin in jedem Szenario von Werksschließungen aus. „Alle Pläne sehen krasse Einschnitte an allen verbleibenden Standorten vor, welche auch deren Zukunft aufs Spiel setzen würde“, hieß es. „Das alles überschreitet unseren roten Linien ganz klar.“ Die Überlegungen von VW bezögen sich auch auf die indirekten Bereiche. „Hier will das Unternehmen vieles ins Ausland verlagern. Oder ganze Bereiche ersatzlos streichen.“ Mit Sozialverträglichkeit habe das nichts zu tun. „Das trifft nicht auf unsere Zustimmung.“ Wobei der Betriebsrat sich ja keinem Personalabbau verschließe. „Das ist nicht der Punkt“, sagt Cavallo. Aber das Ausmaß in der Schnelligkeit gehe so nicht.
„Alle Standorte müssen bleiben“
Cavallo forderte eine solidarische Belegung aller Werke. „Unsere Antwort ist eindeutig: Alle Standorte müssen bleiben!“ Natürlich könnten die Werke nicht auf jetzigem Niveau weitermachen. „Wir müssen gemeinsam vereinbaren, was das bedeutet. Wo liegen die künftigen Kapazitäten?“ Die aktuellen Produkte könne man auf die Standorte verteilen. „Wir brauchen Mut zu klaren Entscheidungen und die Durchsetzungskraft, das auf den Weg zu bringen.“
Wichtig sei vom Grundsatz her: VW solle eine Volumenmarke bleiben und Fahrzeuge für alle gesellschaftlichen Bereiche anbieten. Insofern sei wichtig, jetzt festzulegen, welche Zielfahrzeuge es in den Werken geben soll. Klarheit müsse es auch für die Komponentenstandorte geben. „Wir brauchen klare Zielbilder: Was ist künftig noch Kerngeschäft und was nicht?“ Volkswagen brauche eine stärkere Steuerung und Bündelung der Synergien aus dem Vorstand heraus. Und nicht aus den Marken heraus. Damit punkte die Konkurrenz enorm. Gibt es zu viele Markenvorstände? „Das kann man pauschal so nicht sagen. Wir wollen die Marken ja auch nicht komplett aushebeln. Deren Identität soll bleiben“, sagte Cavallo. „Wir erwarten hier, dass der Konzernvorstand an Durchsetzungskraft und Schnelligkeit gewinnt. Über die Strukturen müssen wir also reden.“
Das sind die „Big Points“:
- Moderne Produktionsverfahren
- Batteriestrategie
- Software
- Plattformen und attraktive Modelle
„Wir brauchen Investitionen, damit wir nicht in eine Abwärtsspirale geraten. Wir brauchen moderne Produktionsverfahren in Deutschland. Auch, wenn wir wissen, dass das wiederum Auswirkungen auf die Beschäftigung hätte“, sagte Cavallo. Nur so könne man preiswertere Fahrzeuge herstellen.
VW: Betriebsrat geht „ungewöhnlichen Schritt“
Die Arbeitskosten machten nur einen kleinen Teil aus, sagte Gröger. Die Gehälter seien nicht höher als bei anderen. „Da wurde ein Zerrbild gezeichnet, das nicht stimmt.“ Die Beschäftigten selber hätten doch das größte Interesse daran, dass es VW gut geht.
„Wir gehen morgen einen ungewöhnlichen Schritt. Wir wollen dem Unternehmen ein Stück weit die Hand reichen. Wir müssen ja mal weiterkommen“, sagte Gröger. Konkret ist die Arbeitnehmerseite sogar zu einem Gehaltsverzicht bereit. Die Idee: Die nächste Tariferhöhung befristet als Arbeitszeit in einen Zukunftsfonds einzubringen und vorerst nicht auszuzahlen. Das ermögliche flexible Arbeitszeitkürzungen ohne Personalabbau. Maßstab solle dabei der jüngste Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie sein, der eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen bis 2026 vorsieht. Von einer „Nullrunde oder Quasi-Nullrunde“ könne aber nicht die Rede sein, betonte Gröger mehrfach.
Gröger stellt „Armutszeugnis“ aus
„Wir legen morgen also 1,5 Milliarden Euro auf den Verhandlungstisch“, sagte Gröger. Auch aus den Vorstandsvergütungen und den Dividenden der Aktionäre. „Aus unserer Sicht ist es nicht vorstellbar, dass die Beschäftigten einen Beitrag leisten, nicht aber die Vorstände und auch die Aktionäre.“ Es sei ein Armutszeugnis, dass die bestbezahlten Vorstände der Republik bisher keine Wege aufgezeigt hätten. „Stattdessen wiederholen sie Maximalforderungen, die sie noch verschärfen.“ Die Probleme hätten nicht die Beschäftigten verursacht. Dennoch sei man als Arbeitnehmerseite jetzt bereit, den Knoten durchzuschlagen.
„Mit unserem Vorschlag gehen wir an die Grenzen des Zumutbaren für die Belegschaft. Wir machen einen Lösungskorridor auf, mit dem wir noch vor Weihnachten Klarheit bekommen können. Wir erwarten jetzt von VW einen Schritt. Der Vorstand muss erkennen, dass das Beharren auf seinen Forderungen nicht geht. Das würde zu einer Eskalation führen. Dann würde es einen Arbeitskampf um die Standorte geben, wie ihn diese Nation seit Jahren nicht mehr erlebt hat.“ Die IG Metall bereite sich aber darauf vor. Und zwar intensiv. Die Friedenspflicht bei Volkswagen läuft noch bis Ende November. Ab 1. Dezember sind Warnstreiks möglich. Allerdings wolle man keine Eskalation, sondern zu Lösungen kommen. „Daher haben wir heute den Aufschlag gemacht“, sagte Gröger. „Wir wollen Klarheit. Jetzt ist der Vorstand am Zug.“ Nur wenn VW sich bewege, seien Lösungen noch vor Weihnachten möglich, sagte Gröger.
(mit dpa)