Sabine* kam nach Braunschweig, weil sie dachte, hier ihr großes Liebes-Glück gefunden zu haben. Doch der Schein trog. Ihr Traum-Mann entpuppte sich schnell als wahrer Albtraum.
Haltlose Vorwürfe, Aggressionen und verbale Attacken. Die 43-jährige Mutter von zwei Kindern hat in Braunschweig die Hölle durchlebt. Aber: Sie kämpfte sich raus. Doch die Angst um den gemeinsamen Sohn bleibt.
Braunschweig: „Als wir zusammengezogen sind, wurde er zum Albtraum“
„Ich muss niemanden mehr Rechenschaft ablegen, ich kann spazieren gehen, wann ich will“, antwortet Sabine News38 auf die Frage, wie sie sich jetzt fühlt. Was für die meisten nach einer Selbstverständlichkeit klingt, war für die 43-Jährige jahrelang tabu. „Wenn er bis 3 Uhr morgens in der Küche sitzen und kiffen wollte, musste ich so lange bei ihm sitzen bleiben – auch wenn ich müde war.“
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Sabine lernt ihren Ex-Freund über das Internet kennen. „Am Anfang war er wirklich mein Traum-Mann. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich jemals so verliebe“, erinnert sie sich. Eigentlich kommt die gelernte Raum-Gestalterin aus Thüringen. Für die vermeintlich große Liebe lässt sie ihre Heimat, ihre Familie hinter sich und zieht mit ihrer zehnjährigen Tochter nach Braunschweig.
Dann beginnen drei Jahre Beziehungs-Hölle. „Als wir zusammengezogen sind und unser gemeinsamer Sohn auf die Welt kam, wurde mein Partner zum Albtraum.“ Am Anfang sind es Kontroll-Anrufe. „Wenn ich nicht abgenommen habe, gingen sofort die Vorwürfe los, dass ich eine Affäre hätte und mich mit meinem Lover treffen würde“, erzählt Sabine.
„Ich bin nichts, ich kann nichts“
„Wenn ich aber zu schnell ans Handy gegangen bin, hat er mich auch gefragt, mit wem ich jetzt wieder geschrieben habe, weil ich so schnell am Handy war. Ich konnte nichts mehr richtig machen.“ Vorhaltungen. Niedermachungen. All das war seitdem Alltag für die Mutter:„Ich bin nichts, ich kann nichts“, wiederholt sie die Worte ihres Ex-Partners.
Die psychische Gewalt spitzte sich immer weiter zu. Sabine durfte nicht mehr alleine einkaufen gehen. „Er kam immer mit. Manchmal auch einfach zehn Meter hinter mir.“ Irgendwann traute sie sich nicht mehr alleine vor die Tür. Als Sabine einmal mit dem Hund Gassi war, kam ihr damaliger Freund plötzlich um die Ecke. „Sofort gingen die Unterstellungen los, dass ich dort nie langgehe und was ich da mache würde.“
„Sie sei genauso ein dreckiges Miststück, wie ihre Mutter“
Psychisch geht es für Sabine immer weiter abwärts. Auch, weil sie in Braunschweig niemanden hat. „Er hat mich komplett abgeschottet. In den drei Jahren habe ich niemanden kennengelernt. Selbst wenn mich ein Verkäufer angeguckt hat, habe ich Vorwürfe bekommen und ich wurde gefragt, woher ich den kennen würde.“
Sabine brachte die zehnjährige Tochter mit in die Beziehung – auch sie wurde Opfer der Aggressions-Attacken. „Sie sei genauso ein dreckiges Miststück wie ihre Mutter“, soll der Partner von Sabine damals das Mädchen beschimpft haben. Und dass nur, weil es seine Mutter verteidigen wollte. „Sie mischte sich immer ein und sagte, dass wir nur einkaufen gehen. Dass Mutti nicht fremdgeht.“
Sabine wird depressiv, verliert ihre Mutter und ein Kind
Die Thüringerin wird depressiv. „Ich war zu gar nichts mehr fähig.“ Um die Kinder habe sie sich noch mit letzter Kraft gekümmert. Doch Haushalts-Aufgaben und das tägliche Leben waren für Sabine nicht schaffbar. „Ich wollte einfach nicht mehr.“
Dann stirbt ihre Mutter – ihr einziger Halt. „Ich habe täglich mit ihr telefoniert“, erzählt sie. Ihr damaliger Freund war keine Stütze, spendete keinen Trost. „Niemand hat mich aufgefangen.“ Kurz danach der nächste, schreckliche Schicksalsschlag. Sabine verliert ihr ungeborenes Kind. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, gab ihr Ex-Partner die Schuld daran.
„Weil ich Medikamente wegen einer Lungenentzündung nehmen musste. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nichts von der Schwangerschaft“, sagt sie. Der gemeinsame Sohn und Sabine haben am selben Tag Geburtstag. „Auch da kam nichts von ihm, gar nichts“, erinnert sie sich. „Als ob ich gar nicht existieren würde.“
Mit letzter Kraft – Sabine sucht sich in Braunschweig Hilfe
Sabine kann nicht mehr. Sie nimmt ihre letzte Kraft zusammen, sucht sich bei den Sozialarbeiterinnen Mona Bothe und Patricia Kirsch vom „Unter uns“ in Braunschweig Hilfe. „Als er mitbekommen hat, dass ich mir Hilfe gesucht habe, war alles vorbei.“ Sie und ihre zwei Kinder ziehen in eine Notunterkunft – schon einen Tag später konnten sie und ihre Kinder in eine Wohnung von der Beratungsstelle für Frauen ziehen. „Ich durfte auch nichts mitnehmen.“ Nur die Kinderzimmer. Doch ansonsten stand Sabine vor dem Nichts, 35 Euro hatte sie in der Tasche. „Nicht mal einen Topf überließ er mir.“
Wegen des gemeinsamen Sohnes haben Sabine und ihr Ex-Freund noch heute Kontakt. „Mit seinem kleinen Sohn hat er vom Jugendamt ein Umgangsrecht.“ Zwei Mal die Woche für zwei Stunden durfte er das Kind sehen. Beim ersten Mal lief auch alles gut. Doch schnell schlug die Stimmung wieder in Aggressionen um.
„Er fing plötzlich an rumzuschreien, ich würde den Kleinen quälen, weil ich ihn zu warm angezogen hätte.“ Weil ihr damaliger Freund schweißgebadet war und ganz kleine Pupillen hatte, hat Sabine die Polizei angerufen. Während der Beziehung habe er angefangen, Drogen zu nehmen. „Danach hatte er zehn Wochen keinen Kontakt mehr mit seinem Sohn. Mit mir wollte er auch nichts mehr zu tun haben.“
„Wenn er einmal weg ist, dann ist er weg.“
In der gebürtigen Thüringerin keimt eine große Sorge immer weiter auf. „Ich habe Angst, dass mein Sohn entführt wird“, gesteht Sabine. „Nur um mir etwas reinzuwürgen.“ Ob es dafür Anhaltspunkte gibt, fragen wir Sabine. „Er hat am Anfang immer wieder auf einen Reisepass bestanden.“
Doch wegen Schwierigkeiten mit der Geburtsurkunde habe der kleine bislang keinen Pass. Die Mutter ihres Ex-Partners habe letztens außerdem eine merkwürdige Andeutung gemacht. „Sie würde schon nicht mit dem Kleinen verschwinden“, zitiert Sabine. „Wenn die schon an sowas denken, triggert mich das einfach. Ich weiß nicht, was ich dann machen kann. Wenn er einmal weg ist, dann ist er weg.“
Trotz allem will sie nicht, dass Vater und Sohn sich nicht mehr sehen. „Der Kleine liebt seinen Vater. Ich muss die Angst irgendwie überwinden, dass er verschwindet.“
„Man muss nur den ersten Anruf machen“
Sabine lebt mittlerweile in einer eigenen Wohnung. Jetzt versuchen sie und ihre Kinder, wieder zur Ruhe zu kommen. Das Erlebte hinter sich zu lassen. „Wenn ich heute überlege, dass ich das überhaupt mit mir habe machen lassen“, denkt sie an die schlimme Zeit zurück. „Wir sind endlich freier, wir sind glücklich“, lächelt sie. Ihre Tochter könne endlich wieder Freunde einladen. „Sie will in Braunschweig bleiben, sie hat hier guten Anschluss gefunden.“
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Was rät Sabine Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind? „Es ist nicht so schwer. Man muss nur den ersten Anruf machen und dann bekommt man Hilfe. Man muss sich trauen. Den ersten Schritt muss man gehen. Man ist was wert.“
Sabine ist überglücklich, den Schritt gegangen zu sein. Von den Sozialarbeiterinnern vom „Unter uns“ Hilfe bekommen zu haben. Sie will nie wieder zurück. „Ich lasse mir nichts mehr gefallen. Ich lasse mich von ihm nicht mehr unterkriegen.“
Falls du Hilfe brauchst, kannst du dich bei der Beratungsstelle für Frauen, dem „Unter uns“ melden. Alle Kontaktdaten findest du auf www.dachstiftung-diakonie.de.
*Name von der Redaktion geändert