„Ich habe mir nicht erträumt, dass ich mit 43 Jahren nochmal auf der Straße lande“, offenbart Giovanni. Der Braunschweiger mit spanischen und italienischen Wurzeln ist zum ersten Mal obdachlos.
Deshalb hat sich „Gino“ Hilfe im Tagestreff Iglu in der Wilhelmstraße gesucht. News38 erzählt er hier von schweren Schicksals-Schlägen als Drogen-Abhängiger – und wie er in die Szene in Braunschweig überhaupt hineingerutscht ist.
Braunschweig: „Es hat mich keiner dazu genötigt“
Das Jahr 2004 veränderte sein Leben für immer. Im wahrsten Sinne fiel hier der Startschuss der über 25-jährigen Drogen-Karriere von Gino. „Ich bin da mehr oder weniger aus Neugier reingerutscht. Es hat mich keiner dazu genötigt“, gesteht der heute 43-jährige Mann mit dunklem Bart und Haar, der lieber nicht fotografiert werden möchte.
Gino lernte damals auf dem Schlossplatz eine junge Frau kennen. „Sie war alleinerziehende Mutter und hat mir den ersten Schuss Kokain gesetzt“, erzählt Gino. „Die hatte währenddessen sogar das Kind in der Nähe“, erinnert er sich. Mit viel Abstand gesteht er: „Sehr komisch war das. Heute würde ich das nicht mehr so machen.“
Braunschweiger Gino über Koks-Sucht: „Mir sind die Zähne ausgefallen“
Doch Konsequenzen spielten damals im Leben des Braunschweigers noch keine Rolle. Von da an gab es für Giovanni kein zurück mehr. „Es hat mir gefallen und ich habe dann einfach weitergemacht.“ Der Drogen-Konsum ging an ihm allerdings nicht spurlos vorbei. Irgendwann merkte Gino, dass sich sein Charakter veränderte, sein Körper begann zu zerfallen. „Es ging bergab. Mir sind irgendwann die Zähne einfach ausgefallen. Das ist ganz schlimm bei Kokain.“
Seit Ende 2022 sei er jetzt aber clean und weg vom Koks. Was ihn dazu bewegte? „Ich war sehr egoistisch. Das wollte ich nicht mehr“, so Gino. Ein anderer Grund: Das Geld. „Kokain ist teuer. Es gab für mich nur noch die Möglichkeit kriminell zu werden, um mir die Droge zu finanzieren“, erklärt er. Doch in den Knast wollte er nicht mehr.
„Willst du die Freiheit oder willst du im Knast verrecken?“
Giovanni dealte mit Drogen, kassierte Anzeigen wegen Körperverletzung und Diebstahl. Über ein Jahrzehnt saß er deshalb im Knast: „Nach 15 Jahren habe ich aufgehört zu zählen“, sagt er. Erst der Tod seiner Mutter im Jahr 2013 öffnete dem 43-Jährigen die Augen. Währenddessen saß Giovanni im Gefängnis. Da stellte er sich die Frage: „Willst du die Freiheit oder willst du im Knast verrecken?“
Zehn Jahre ging alles gut. Bis zu jenem Tag in der Wohnung einer älteren Dame. 12 Jahre wohnte er bei der Frau in einer WG. Der schicksalshafte Tag begann mit dem Konsum von Spice, einer chemischen Marihuana-Kopie. Ein Nachbar bot Gino die Droge an. „Ich wusste nicht, worauf ich mich einlasse“, erzählt Giovanni. Er fühlte sich wie fremdgesteuert. „Das war so krass, das habe ich noch nie in meinem Leben erlebt.“ Weil er kein Geld mehr hatte, durchlebte Gino gezwungenermaßen einen Entzug, der ihm schwer zu schaffen machte.
Braunschweig: Endstation Straße – Giovanni weiß nicht wohin
Während dieser Zeit kam es zwischen ihm und der älteren Dame zu einer „stressigen Situation“, wie er es beschreibt. „Die Frau verlor dabei ihre Distanz – und schubste mich.“ Aus Reflex habe er die Frau zurück geschubst, sie fiel zu Boden. Doch wegen des Entzugs verlor Gino sein Körpergefühl: „Ich habe gar nicht wahrgenommen, dass der Stoß so heftig war“, beschreibt er es. „Ich habe mich total erschrocken, als sie dann so stark geblutet hat.“ Danach setzte die Frau Gino vor die Tür. Jetzt hat er wieder eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals. Das Problem: „Mein Anwalt will 1.000 Euro von mir. Wo soll ich die hernehmen?“
Kurzzeitig kam Giovanni nach seinem Rauswurf bei einem Kumpel unter. „Einfach so hat er mich eines Morgens rausgeschmissen.“ Wieso, weiß Gino bis heute nicht. Was er auch nicht weiß ist, wo er unterkommen soll. Er und sein Hund sitzen jetzt auf der Straße. Eine Möglichkeit wäre zurück ins Obdachlosenheim an der Horst zu gehen. „Ich will aber nicht wieder draufkommen. Da sind mir aber zu viele Abhängige.“
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Aktuell lebt Gino in der Nähe einer Schule am Heidberg. „Das war mir zuletzt aber richtig unangenehm, weil ich da die letzten Jahre gewohnt habe. Da kennen mich auch einige“, so der 43-Jährige weiter. Vom Tagestreff Iglu hat er jetzt ein Zelt bekommen, doch trotzdem wisse er nicht wohin: „Wildcampen ist eigentlich verboten.“
Die Sozialarbeit der Tagestreff-Mitarbeiter findet Gino gut – und wichtig. „Die haben mir schon gut geholfen. Ich habe hier eine Monatskarte bekommen und kann essen.“ Die Karte habe er gesponsert bekommen. Jetzt wartet Gino noch immer auf das Geld vom Jobcenter. Mit seinem Hund zieht Giovanni aber erst einmal von Dannen. Weiter in eine ungewisse Zukunft auf den Straßen Braunschweigs.