Ist die Krise bei VW nur die Spitze des Eisbergs der deutschen Automobil-Industrie? Wie schlecht steht es um die anderen Autobauer?
Die Präsidentin der deutschen Automobil-Industrie jedenfalls schlägt nach dem VW-Beben Alarm.
VW-Krise: Müller schlägt Alarm
Hildegard Müller schockt bei „Hart aber fair“ (ARD) mit Horror-Zahlen für ihre Branche. Das Talk-Thema von Moderator Louis Klamroth am Montagabend (28. Oktober) lautete „Fährt eine Industrie gegen die Wand?“ Müllers Schock-Prognose: „Wir rechnen bis 2035 nach einer Studie, die wir morgen veröffentlichen werden, mit rund 190.000 Arbeitsplätzen, die in Rede stehen.“ (HIER findest du Details!) Nicht nur bei den Autobauern dürften also Jobs wegfallen, sondern auch bei anderen Unternehmen wie den Zulieferern. Hier hatte es ja auch schon die ersten Beben gegeben, zum Beispiel beim Zulieferer ZF. 190.000 Menschen – etwa so viele Einwohner hat zum Beispiel Potsdam. Aber die aktuelle Standort-Krise sei kein VW-Thema und auch kein Auto-Thema, sagt Müller: „Das ist eine Krise des gesamten Industrie-Standortes. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.“ Ihr fehle bei der ganzen Debatte der Blick auf den industriellen Mittelstand, der in diesen Zeiten ganz besonders kämpfen müsse.
VW & Co. in vertrackter Lage
Generell sieht die Auto-Präsidentin ihre Branche vor einem großen Wandel – und einem Haufen Arbeit. Die Transformation hin zur E-Mobilität führe natürlich dazu, dass Berufsbilder sich verändern. Allein wegen der geringeren Fertigungstiefe würden Jobs wegfallen. „Ob hier neue Arbeitsplätze entstehen können, hängt von den Standortbedingungen ab. Da dürfen wir uns nicht länger wegducken“, sagt Müller. Ihre dringende Warnung: „Wir sind zu teuer in den Energie-, Bürokratie- und in den Arbeitskosten. Wenn wir diese Fragen nicht in den Griff bekommen, dann wird die Auto-Industrie zwar ihre Wege gehen, aber nicht mehr mit Wachstum und Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Deutschland, die uns eigentlich total am Herzen liegen.“
Gleichzeitig verteidigt sie im ARD-Talk die deutsche Autobranche: Deutschland sei in der ganzen Welt der zweitgrößte Produzent von Elektroautos. „Sieben von zehn Verbrauchern vertrauen deutschen Elektroautos. Wir verkaufen immer noch 100-mal so viele Autos in China wie umgekehrt“, sagt Müller.
Zum Wirtschaftsgipfel von Kanzler Olaf Scholz am Dienstag (29. Oktober) sei sie übrigens nicht eingeladen. „Es sind Unternehmen der Automobil-Industrie eingeladen, aber leider weder die Zulieferindustrie und schon gar nicht der industrielle Mittelstand.“ Generell blickt sie kritisch auf die politischen Entscheidungen in Berlin: Die Verbotsdiskussion um den Verbrenner habe die Menschen in Deutschland sehr verärgert: „Wir müssen Begeisterung für die Elektromobilität erzeugen, aber die Menschen sagen: Hm, scheinbar ist die Technik nicht überzeugend, die müssen sie uns jetzt verbieten.“
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Ihre Mängelliste ist lang. Die Automobilindustrie habe ihre Fehler gemacht, daraus gelernt und gigantische Summen investiert. Die deutschen Autobauer verpflichteten sich den Klimazielen und gingen den Weg der E-Mobilität. „Die Industrie von der Elektromobilität sehr überzeugt, aber wir müssen einfach sehen, dass man das nicht nur beschließen kann, sondern vieles dazu erfolgen muss. Wir haben keine strategische Rohstoffversorgung betrieben in der EU. Viele Handelsabkommen sind offen, das heißt, wir sind abhängig von ausländischen Batterien. Wir haben keine Lade-Infrastruktur. Das ist das Wichtigste. Die Menschen machen sich die berichtigte Sorge ‚Wo kann ich laden?'“
HIER kannst du „Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek sehen.