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VW-Mitarbeiter schießen scharf gegen Chefs – „Hinterhältige Blutgrätsche!“

Die VW-Chefs müssen sich einiges anhören. Vor der Tarifrunde sind die Fronten verhärtet. Der Empfang in Hannover ist eindeutig.

Beschäftigte von Volkswagen demonstrieren vor Beginn der Tarifverhandlungen von Volkswagen und IG Metall vor dem Schloss Herrenhausen.
© picture alliance/dpa

VW-Beben: Mitarbeiter müssen zittern – Konzern will zuschlagen

Was bisher undenkbar war, ist neue Realität bei VW. Die Konzernspitze denkt über Standort-Schließungen nach. Auch die Beschäftigungssicherung soll fallen. Eine Zeitenwende in Wolfsburg.

Anpfiff vor dem Anpfiff vor dem mit Spannung erwarteten Tarifpoker bei VW! Die IG Metall hatte getrommelt – und Tausende VW-Mitarbeiter folgten ihrem Ruf nach Hannover.

Vor dem Schloss in Hannover gab es am Mittwochvormittag (25. September) ordentlich Rabatz gegen die VW-Bosse. Tausende Mitarbeiter aus verschiedenen VW-Werken waren angereist, um der Chefetage zu zeigen, was sie von deren drastischen Sparplänen halten: Nämlich nichts. VW dagegen bekräftigte zum Auftakt noch mal seinen Sparkurs.

VW plant Kahlschlag

Draußen waren es rund 15 Grad, aber in den Verhandlungsräumen dürfte die Temperatur deutlich eisiger sein. Die Fronten vor der vorgezogenen Tarifverhandlung bei VW sind verhärtet. „Wir stehen erst am Anfang einer Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, die sich gewaschen hat. VW wird den Widerstand ernten, der durch das Top-Management gesät worden ist“, sagte IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Thorsten Gröger.

Kahlschlag sei kein Zukunftskonzept. „Niemandem liegt das Wohl Volkswagens mehr am Herzen als den vielen Beschäftigten, welche in den letzten Jahren höchstflexibel zwischen Kurzarbeit und Sonderschichten hin- und herbalanciert sind. Auf ihre Kosten nun die Rendite zu trimmen, ist fahrlässig, unverantwortlich und rücksichtslos“, sagte Gröger. Die Marktführerschaft werde man nur mit der Belegschaft wieder erlangen – und nicht gegen sie. Volkswagen sei ja auch jahrzehntelang Spitzenreiter nicht trotz, sondern wegen der Mitarbeiter und der starken Mitbestimmung gewesen, sagte Gröger: „Statt den Rotstift bei der Mannschaft und den Werken anzulegen, sollte stattdessen einmal die Frage gestellt werden: Welchen Beitrag leisten die Aktionäre zur Zukunftsfestigkeit Volkswagens?“

VW ist nicht „normal“

Auch Betriebsratschefin Daniela Cavallo fand einmal mehr klare Worte: Die Vorstände hätten sich zuletzt „wie die Axt im Walde benommen“. Der Betriebsrat registriere aktuell wieder die Fantasie einiger Kreise, Volkswagen doch endlich zu einem „normalen“ Unternehmen zu machen. „Diese Angriffe kommen aus Teilen des Vorstands, der Tabubrüche wagt, die historisch sind. Aber ebenso historisch wird unsere Reaktion als Arbeitnehmerseite sein. Denn VW ist kein normales Unternehmen und bei VW wird daher auch niemals der Turbo-Kapitalismus Einzug halten. Sondern bei Volkswagen haben die abhängig Beschäftigten, ihre Familien und Standortregionen immer ein starkes Gewicht“, sagte Cavallo. Auch die Arbeitnehmerseite habe eine Dividende: Gute Arbeit, sichere Beschäftigung und das Generationen-Versprechen bei Volkswagen.

Beschäftigte von Volkswagen demonstrieren vor Beginn der Tarifverhandlungen von Volkswagen und IG Metall vor dem Schloss Herrenhausen.
Beschäftigte von Volkswagen demonstrieren vor Beginn der Tarifverhandlungen von Volkswagen und IG Metall vor dem Schloss Herrenhausen. Foto: picture alliance/dpa

Auch Florian Hirsch, Vertrauenskörperleitung der IG Metall am Standort in Wolfsburg, übte am Mittwoch scharfe Kritik am Management: „Wer fahrlässig mit Arbeitsplätzen spielt und leichtfertig um Standorte pokert, der wird den massiven Protest der IG Metall und seiner Vertrauensleute ernten. Die besten Autos wird man auch in Zukunft nur mit der besten Mannschaft bauen. Doch was das Management jetzt mit seiner Kündigung der Beschäftigungssicherung macht, ist nichts anderes als eine hinterhältige Blutgrätsche!“

VW: „Situation ist ernst“

Von VW kamen vor der Tarifrunde wenig überraschende Töne. „Wir müssen gemeinsam unser Unternehmen restrukturieren. Die Situation ist ernst“, sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel (Personalvorstand der Kernmarke Volkswagen). „Aufgabe ist es jetzt, tragfähige Lösungen zu finden.“


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Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mischte sich vor dem Start der Tarifgespräche ein. Er rief beide Seiten dazu auf, am Verhandlungstisch eine Lösung zu finden. „Volkswagen braucht Gespräche, Volkswagen braucht kluge Konzepte, aber Volkswagen braucht keinen weiteren öffentlichen Schlagabtausch“, sagte Weil am Mittwochmorgen in einer Regierungserklärung im Landtag in Hannover.

VW-Tarifrunde gestartet

Die eigentlich erst für Ende Oktober geplante Tarifrunde war vorgezogen worden, nachdem VW seinen Sparkurs Anfang des Monats verschärft hatte. „In der ersten Verhandlungsrunde wird es darum gehen, dass wir uns ein gemeinsames Bild über die Ausgangslage verschaffen“, so Meiswinkel. Statt nur über das Entgelt soll auch über die von VW gekündigte Beschäftigungssicherung verhandelt werden.

+++ Diverse VW-Werke auf der Abschussliste? DAS sagt der Autobauer +++

Die IG Metall lehnt betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen strikt ab und fordert sieben Prozent mehr Lohn für die 120.000 VW-Beschäftigten an sechs westdeutschen Standorten, die unter den Haustarif fallen. (mit dpa)