Braunschweig/ Wolfsburg.
VWbezahlt offenbar seine Betriebsräte zu gut. Ein Hammer-Urteil hat das jetzt bestätigt.
Schon letztes Jahr landete der Prozess gegen vier Personalmanager vor dem Landgericht. Damals wurden sie aber vom Verdacht der Untreue entlastet. Damit ist das Reizthema bei VW aber noch nicht abgeschlossen.
VW: Betriebsräte bekommen zu viel Geld
Im vergangenen Jahr hat sich das Braunschweiger Landesgericht mit einem besonderen Fall beschäftigt: Vier VW-Personalmanager wurde Untreue vorgeworfen. Obwohl diese im Prozess freigesprochen wurden, beschäftigt die oft üppige Bezahlung hoher Betriebsräte die deutsche Justiz weiter.
Die damals zuständige Kammer stellte klar, dass auch leitende Belegschaftsvertreter in der Regel keine Gehälter auf dem Niveau von Führungskräften im Unternehmen beziehen dürfen. Sie vertritt dagegen die Auffassung, die Einstufung Freigestellter müsse sich generell an dem Lohn orientieren, den diese zum Zeitpunkt der Entsendung in den Betriebsrat für ihre bisherige Tätigkeit bekamen.
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VW-Tarifbonus von 2012 bis heute:
- 2022: 3.000 Euro
- 2021: 2.700 Euro
- 2020: 4.950 Euro
- 2019: 4.750 Euro
- 2018: 4.100 Euro
- 2017: 2.905 Euro
- 2016: 3.950 Euro
- 2015: 5.900 Euro
- 2014: 6.200 Euro
- 2013: 7.200 Euro
- 2012: 7.500 Euro
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Diese Einschätzungen sind Teil einer erweiterten Urteilsbegründung zu dem Verfahren, das im September 2021 beendet worden war. Nun dürfte eine Grundsatzentscheidung zur Betriebsratsvergütung in Deutschland bald folgen. Auch der „Spiegel“ berichtete am Donnerstag darüber.
VW: „Es geht nicht mehr nur um Volkswagen“
Kernargumentation des Gerichts: Vollzeit-Jobs im Betriebsrat seien letztlich Ehrenämter, die selbst bei Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen nicht mit Aufgaben im höheren Management zu vergleichen seien.
Der VW-Konzernbetriebsrat in Wolfsburg betonte auf Anfrage, der Gesetzgeber müsse mit einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes jetzt endlich Klarheit schaffen, welche genauen Maßstäbe für die Bezahlung anzulegen seien. „Die rechtlichen Unsicherheiten bei der Festlegung sind ein Thema für die betriebliche Mitbestimmung in ganz Deutschland. Es geht hier inzwischen nicht mehr nur um Volkswagen.“
Mit ein Anstoß für die ausführliche Erklärung des Richters dürfte das Revisionsgesuch sein, das die Staatsanwaltschaft in dem Fall an den Bundesgerichtshof (BGH) richtete. Es ging um die Frage, ob drei ehemalige und ein noch amtierender Manager zwischen 2011 und 2016 für einflussreiche VW-Betriebsräte wie den langjährigen Vorsitzenden Bernd Osterloh überzogene Gehälter unrechtmäßig abgesegnet hatten. Das Gericht sah keinen Vorsatz und keine Untreue. Die Anklage jedoch forderte für die Manager – darunter die beiden Ex-Personalvorstände Horst Neumann und Karlheinz Blessing – Bewährungs- sowie Geldstrafen.
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Wie unabhängig von der strafrechtlichen Schuldfrage eine angemessene Vergütungshöhe für Betriebsräte arbeitsrechtlich einzuschätzen sei, hatte die Kammer in ihrer mündlichen Begründung zunächst weitgehend offen gelassen. Zur Eingruppierung vor allem leitender Mitglieder von Belegschaftsvertretungen macht das Betriebsverfassungsgesetz nur vage Vorgaben – das sehen auch viele andere Wirtschaftsjuristen so.
SO viel zahlte VW an Osterloh
Häufig ist es eine schwierige Abwägung. Zum einen dürfen Betriebsräte beim Gehalt nicht bevorteilt werden, damit „erkaufte Loyalität“ zur Firmenleitung unterbunden wird. Auf der anderen Seite darf es für sie aber auch keine Benachteiligung geben – bezogen auf Karrierewege, die sie womöglich sonst gegangen wären. Osterloh, inzwischen Personalchef der VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton, verdiente während seiner Zeit an der Betriebsratsspitze in Bonus-Spitzenjahren bis zu 750.000 Euro.
Der Vorsitzende Richter Bohle Behrendt schloss sich nun überraschend einer unter Fachleuten diskutierten „strengen Ansicht“ an. Demnach ist „eine Bezahlung als „Co-Manager“ oder „auf Augenhöhe“ mit den Verhandlungspartnern auf Arbeitgeberseite unzulässig“. Basis der Entscheidung über die Gehaltshöhe eines Betriebsrats müsse vielmehr stets die „betriebsübliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer“ sein. „Sonderkarrieren könnten nicht zugrunde gelegt werden.“
Sprich: Nicht später gewachsene Verantwortung und Fähigkeiten sollten der Maßstab sein, sondern allein der Stand bei der Freistellung. Für Osterloh hätte das bedeutet, dass er wohl zumindest ein mittleres fünfstelliges, aber mit großer Wahrscheinlichkeit kein sechsstelliges oder gar hohes sechsstelliges Jahresgehalt bekommen hätte. Bis 1990 war er sogenannter Beanstandungsbeheber in der Qualitätskontrolle.
VW: BGH hat noch keine Meinung bezogen
Ablehnend äußerte sich Behrendt auch zu einer Erweiterung der Bemessungsgrundlage um „solche Qualifikationen, die während der Betriebsratstätigkeit erlangt werden. (…) Es geht um den Ersatz des Entgelts, welches ohne Betriebsratstätigkeit verdient worden wäre.“
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Den Freispruch für die vier Personalmanager berührt all dies vorerst nicht – jedenfalls solange der BGH nicht seine Meinung zu dem Fall dargestellt hat. Wann der dortige Beschluss kommt, ist noch unklar.
VW steht vor DIESEM Problem
Aus Kreisen der Prozessbeteiligten in Braunschweig hieß es, Straf- und Arbeitsrecht würden empfindlich kollidieren, sollten die Bundesrichter sich der Interpretation Behrendts anschließen. Denn es bestünden schon Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie durchlaufene Schiedsverfahren mit renommierten Arbeitsrechtlern, welche die Möglichkeit höher angesetzter Vergleichsgruppen beim Gehalt für erfahrene Betriebsräte unterstützten: „Was genau dieses ‚bitte nicht zu viel, aber bitte auch nicht zu wenig‘ in der Praxis heißen soll, damit lässt der Gesetzgeber die Unternehmen alleine.“
Anders entschiedene Fälle ließen die Richterkollegen in Niedersachsen bisher aber offenbar unbeeindruckt. „Das insgesamt gewonnene Ergebnis mag als praktisch unbefriedigend empfunden werden“, schrieben sie zu ihrem Urteil. Es sei jedoch „bei der bestehenden Gesetzeslage auch in weltweit agierenden Konzernen, in denen Betriebsräte in bedeutende Entscheidungen eingebunden sind, hinzunehmen“. (dpa/red.)
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