Symbolbild
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Bettmar/Braunschweig.
Der Prozess gegen den 20-Jährigen, der im Februar auf einen 40-jährigen Mann eingestochen und diesen lebensgefährlich verletzt hat, hat begonnen. Das Landgericht Braunschweig wirft dem Sudanesen vor, am 5. Februar 2016 einen Landsmann in einer Flüchtlingsunterkunft in Bettmar mit einem Messer mehrere Stiche in Hals und Oberkörper lebensgefährlich verletzt zu haben . Das Opfer wurde operiert und überlebte den Angriff.
Die Anklage lautet versuchter Totschlag; dem Angeklagten droht daher eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren, sollte er verurteilt werden. Beim Prozessauftakt am heutigen Montag, 13. Juni 2016, berief sich der Angeklagte auf Notwehr.
Sexuelle Belästigung durch das Opfer Der 20-Jährige sagte aus, mit dem späteren Opfer und vier weiteren Bewohnern zunächst in der Flüchtlingsunterkunft zusammen gegessen zu haben. Später hätten die beiden Männer im Zimmer des Angeklagten große Mengen Alkohol getrunken und seien zu Bett gegangen. Der 40-Jährige soll den Beschuldigten dann mehrmals geweckt und anschließend sexuell belästigt haben. Das Opfer sei dabei nackt gewesen und habe den Angeklagten trotz mehrfacher Aufforderung nicht losgelassen und dabei unsittlich berührt.
Daraufhin habe er zunächst versucht, den körperlich überlegenen 40-Jährigen wegzustoßen; mehrfach habe er ihm auch gedroht, sich mit einem Messer zu wehren. Als das Opfer aber immer noch nicht von ihm abließ, habe er mit dem Messer zugestochen, sagte der Angeklagte aus. Da das Opfer aber auch daraufhin noch immer nicht von ihm abließ, habe er noch mehrmals zugestochen. Welche Körperbereiche er dabei traf, daran kann sich der Angeklagte aufgrund des erheblichen Alkoholkonsums nach eigenen Worten nicht erinnern.
Angeklagter bittet um Hilfe – keine Reaktion Nachdem das Opfer schließlich schwerverletzt zu Boden ging, hat der Angeklagte nach eigenen Aussagen auf dem Flur um Hilfe gerufen. Darauf hätten andere Bewohner des Flüchtlingsheims allerdings nicht reagiert. „Aus Angst, in die Sache mit reingezogen zu werden“, so der Angeklagte. Schließlich sei er auch in den zweiten Stock der Unterkunft gelaufen, wo er auf andere Bewohner traf, die wiederum die Polizei alarmierten.
Zeugen schildern den Vorfall dagegen anders: Der 20-jährige sei mit dem Messer in der Hand in das Nachbarzimmer gekommen und habe gedroht, die vier Bewohner ebenfalls anzugreifen. „Sie müssen mich falsch verstanden haben. Ich habe gesagt, ‚ich habe ihn gestochen‘ und ihnen nicht gedroht“, erwiderte der Angeklagte.
Richterin Renate Reupke hielt dem Angeklagten vor, noch in der Tatnacht und beim Verhör durch einen Richter am Folgetag ebenfalls andere Aussagen gemacht zu haben. Demnach habe er ausgesagt, dass die vier weiteren Sudanesen, mit denen er und das Opfer zusammengegessen hatten, den 40-Jährigen verprügelt und mit dem Messer verletzt. An diese Aussage will sich der Angeklagte ebenfalls nicht erinnern können; er sagte, er habe unter Alkoholeinfluss wohl unwissentlich eine andere Geschichte erzählt.
Opfer setzt sich ab – Zeugen erscheinen nicht In der nächsten Woche will das Gericht die Verhandlung fortsetzen und einige Zeugen vernehmen. Hierbei muss die Jury feststellen, ob es sich bei der Tat um Notwehr gehandelt hat, oder die Anklage des versuchten Totschlags zutrifft.
Erschwert wird die Urteilsfindung dadurch, dass mehrere Zeugen nicht zur Aussage bei der Polizei erschienen sind. Außerdem hat sich das Opfer nach ersten Ermittlungen nach Italien abgesetzt. Ob der 40-Jährige überhaupt auffindbar ist, ist laut Gerichtsangaben fraglich.