Hannover.
Es ist laut am Donnerstag auf den Straßen Hannovers. Der Unmut der Bauern aus ganz Deutschland geht über Stadt und Politiker nieder. Mit dabei: Eine Delegation aus dem Kreis Helmstedt. Darunter Bauern, Landvolk, Landjugend und Landfrauen.
„Wenn Bauern demonstrieren, läuft das ja meist ganz friedlich ab“, scherzt Catarina Köchy, als sie aus dem Bus steigt. Köchy vertritt die Landfrauen aus der Region Braunschweig und hat, wie alle hier, Landwirtschaft zu Hause. Ihren Hof, die Domäne Jerxheim im Helmstedter Südkreis, will sie bald ganz ihren Kindern überlassen. Es ist ein reiner Ackerbaubetrieb.
„Vor allem setzen wir, wie viele in der Region, auf die Zuckerrübe als ‚Königin der Früchte‘, denn die hat bisher immer soliden Ertrag gebracht“, erklärt sie und meint damit auch die Jahre, in denen die Getreidepreise wieder einmal auf Niedrigstniveau ankommen oder Ernteausfälle, wegen schlechten Wetters zuschlagen.
Sehnsucht nach der Quote
Das alles könnte sich aber bald ändern. „Früher haben wir für Zuckerrüben noch 65 Euro pro Tonne bekommen, jetzt sind es nur noch 46. Aber an genau diesem niedrigen Preis orientiert sich die nun der Weltmarkt,“ so Landwirt Heinz Bosse aus Söllingen. Mit Sorge blickt er nun der Abschaffung der Zuckerrübenquote entgegen.
Ende 2017 passiere vermutlich das, was bei der Milch auch passiert ist: Die Preise gehen in den Keller, die Kleinen geben auf. Und statt deutschen Zuckerrüben werden Coca Cola, Nordzucker und Co. verstärkt auf Rohrzucker setzen. Aber der wächst hierzulande eben nicht. „Dass er zudem aus ausbeuterischen Verhältnissen in Brasilien kommt, interessiert doch keinen“, meint Bosse.
„Sprecht mit uns“
Der Rübenpreis, für die Bauern aus Helmstedt das Thema. Doch schaut man sich auf dem Hannover’schen Bahnhofsvorplatz um, wo gegen 9 Uhr allmählich immer mehr Menschen einströmen fallen auch noch andere Themen in Blickfeld: „Sachkundenachweis für Politiker“, „Milliarden für die Autoindustrie, Almosen für die Bauern“, steht da auf den Schildern. Und vor allem ein Satz, der die Lage der Bauern erklärt, die sich in die Passivität gedrängt fühlen: „Sprecht mit uns, nicht über uns“.
„Es ist dieser Dialog auf Augenhöhe, den wir fordern“, erklärt Gerhard Rott, Vorstandsmitglied des Braunschweiger Landvolks. Natürlich muss die Politik die Rahmenbedingungen für einen gesunden Markt schaffen, aber sie muss uns vor allem auch bei ihren Entscheidungen mitnehmen. Veränderungen brauchen in der Landwirtschaft immer Zeit, zumal ganze Familien, ja Generationen, an diesem Einkommen hängen.
Reizthema: Glyphosat und Düngemittel
So manchen Entscheidung, so scheint es den Bauern, sei doch eher aus ideologischen als aus fachlichen Gründen getroffen worden. Ulrich Steinmeier, promovierter Junglandwirt und Vater von zwei kleinen Töchtern, setzt beim Thema Glyphosat vor allem auf das Urteil der zuständigen Zulassungsbehörden, wie dem BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung). „Und auf meine Erfahrung. Mein Vater hat das Mittel bereits eingesetzt. Die Studien, die einen Zusammenhang mit erhöhtem Krebsrisiko sehen, beziehen sich ja auch vor allem auf die Beistoffe, das ist hochkomplex“, sagt der Ackerbauer aus Twieflingen bei Schöningen.
Mal angenommen es käme in der Zukunft zu einem Verbot – gerade ist Glyphosat für weitere 18 Monate zugelassen worden – würde Steinmeier wohl auf Alternativen wie verstärktes Pflügen, Grubbern und Striegeln setzten. „Es ist die Frage, ob das reicht.“
Auch beim Thema „Greening„, dazu gehört zum Beispiel der Erhalt von Dauergrünland und die Diversifizierung von Anbausorten, erwarten die Bauern mehr Unterstützung. „Organische Dünger sollen jetzt begrenzt werden. Ich hoffe nur, dass dabei auch bedacht wird, dass solche Dünger auch für das geforderte ‚Greening‘ nützlich sind, für die Strohrotte und für das Wachstum der Zwischenfrüchte“, so Steinmeier.
Nein, leicht hätten es die Bauern derzeit wirklich nicht, so Volker Meier, Geschäftsführer des Landvolks Braunschweig. „20 Cent pro Liter Milch, das kann keiner Durchhalten. Wir hoffen wirklich inständig, dass das Russlandembargo schnell aufgehoben wird.“ Doch danach sieht es nicht aus: Russland hatte bereits angekündigt, das Embargo für westliche Lebensmittel noch weiter zu verlängern.
Milch plus Krise plus X
„Meyer muss weg“-Rufe gepaart mit Trillerpfeifen und Kuhglocken malen die Geräuschkulisse auf dem Weg vorbei an der Oper zum Ort der Abschlusskundgebung, wo schon Trecker und belegte Brötchen warten – und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Doch der hatte nicht ganz die Antworten dabei, die sich die Demonstranten wohl erhofft haben. „Wenn sich nichts ändert in der Wertschöpfungskette, dann können wir doch schon die Uhr danach stellen, wann die nächste Krise kommt„, so Schmidt, der den in die Krise geratenen Milchbauern eine Soforthilfe von 100 Millionen Euro plus X in Aussicht gestellt hatte.
Und dann Floskeln, die nun auf ganz eigene Art populistisch klangen: „Es kann nicht sein, dass eine Gesellschaft erwartet, dass jede Kuh dreimal am Tag gestreichelt wird, ein Mindestabstand von zehn Metern eingehalten wird, aber die Milch dann für zehn Cent verscherbelt wird“, so Schmidt.
„Macht Euch die Erde Untertan“?
Die Vorstellung von Landwirtschaft sei bei den Verbrauchern völlig verschoben. „Liebe zum Tier, Respekt vor der Schöpfung – aber macht euch die Erde Untertan„, so Schmidts inhaltsarmer Ratschlag. Ganz anders die nächste Generation der Landwirte auf
dem Podium. Hier kommt tosender Applaus aus den Reihen der Bauern. „Solange das Wort Bauer als Schimpfwort gebraucht wird und die Sendung Bauer sucht Frau im Fernsehen läuft, solange sind wir noch nicht am Ziel“, heißt es von einem Jungbauern.
Sehr konkret wird Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Zustimmung zur Fusionierung von Kaisers Tengelmann und Edeka vorgeworfen: „Das war ein Schlag ins Gesicht aller Landwirte“, schimpft Jungbäuerin Barbara Bisport aus Rheinland-Pfalz. Gabriel hatte die Fusion entgegen der Einschätzung des Kartellamtes abgewickelt.
Neue Projekte der Jungen Landwirte
Auf dem Rückweg zum Bus hallen die Worte der Jungen Landwirte nach. Auch der 24-jährige Christian Denecke aus Wolsdorf, denkt in letzter Zeit viel über seine Zukunft nach. Zusammen mit seinem Vater Klaus, bewirtschaftet er einen 90-Hektar-Ackerland-Betrieb.
Sein neustes Projekt: Hühner. „An die 30 Stück halte ich nebenher und versuche, die Eier direkt zu vermarkten.“ Sein Ziel dabei ist bei einem Verkaufspreis von 2,50 Euro pro zehn Eiern nicht unbedingt ein finanzielles. „Ich möchte den Menschen in meiner Umgebung zeigen, wie so ein Preis zustande kommt. Was es kostet, ein Ei zu produzieren. Dass die Dumpringpreise in großen Supermarktketten nicht realistisch sind.“
Würde Denecke denken wie ein Großunternehmer, wäre vielleicht schon ein Stall und 10.000 Legehennen in Planung. Aber das ist nicht sein Ding. Auch über eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft hat er schon nachgedacht. „Ich bin ein Fan davon, aber bei unseren Böden funktioniert das nicht“, ist er sich sicher.
Dennoch: „Ein So-weiter-wie-bisher wird es in Zukunft nicht geben„, ist sich Vater Klaus Dennecke sicher. „Die Zuckerrübe nicht mehr für genügend Sicherheit sorgen“. Seit Generationen bewirtschaftete die Familie den Hof, „da fühlt man sich verantwortlich, denken in Jahrzehnten“. „Glaubt uns ruhig“, schiebt er hinterher, „wir selbst haben den größten Ansporn, nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben.“